Multifunktionale Mandibeln von Ameisen: Variation im Greifverhalten durch spezifische Mikrostrukturen und Kinematik
Die verlängerten Mandibeln bestimmter Ameisenarten sind geschickte Greifer, die je nach Bedarf ein breites Spektrum an Kräften für verschiedene Aufgaben aufbringen können. Unsere kombinierten experimentellen und theoretischen Untersuchungen zeigen die Multifunktionalität der Mandibeln von Harpegnathos venator, die durch spezifische Mikrostrukturen und eine charakteristische Kinematik begünstigt wird. Zunächst haben wir festgestellt, dass H. venator das Bein einer Spinne (Heteropoda venatoria) durch Schließen der langen Mandibeln abziehen kann. Wir beobachteten, dass die Ameise das Bein der Spinne normalerweise mit dem distalen oder mittleren Teil ihrer Mandibeln festhält. Im Gegensatz dazu kann die Ameise ihr Ei mit den proximalen Teilen ihrer Mandibeln festhalten, ohne es zu beschädigen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Beine der Spinne immer am Coxa-Trochanteral-Gelenk gebrochen werden. Zweitens haben wir festgestellt, dass die Kraft, die erforderlich ist, um das Bein der Spinne zu brechen, bis zum 500-fachen des Körpergewichts der Ameise betragen kann. Andererseits kann die maximale Kraft beim Greifen eines Eies auf weniger als 2×10- 6N kontrolliert werden. Durch die Kombination von Mikrostrukturaufnahmen, kinematischer Verfolgung und mathematischer Modellierung haben wir herausgefunden, dass die scharfen Zähne und dichten Borsten auf der Innenseite der Mandibeln für die hohe Adhäsionskraft verantwortlich sind, während die konkaven Zähne und die biaxiale Rotation der Mandibeln das sanfte Greifen erleichtern. Wir haben unsere Erkenntnisse durch den Bau eines künstlichen Unterkieferpaares validiert. Diese Arbeit erweitert das Wissen über die physiologische Multifunktionalität der Ameisenmandibeln und bietet neue Möglichkeiten, die Multifunktionalität von Insektenanhängseln durch die Anwendung von Werkzeugen der mechanischen Analyse und entsprechender Versuchsvorrichtungen aufzudecken.